Sprachvariation und Sprachkontakt im Migrationskontext am Beispiel des Arabischen in Deutschland

Muhadj Adnan | Universität Bayreuth

In den letzten fünfzig Jahren gab es eine enorme Migration innerhalb der arabischsprachigen Welt. Diese hat verschiedene Dialekte in Kontakt gebracht, die vorher aus historischer Perspektive wenig oder kaum in Kontakt getreten sind. Als Folge von migrationsbedingtem Sprachkontakt des Arabischen konnten sich bisher drei allgemeine Muster bemerkbar machen. Beispielsweise fand Miller (2005) in ihrer Untersuchung heraus, dass sich Migrantengruppen in Kairo (Ägypten) dem Dialekt des Aufnahmelandes anpassten (Assimilation). In einem anderen Fall stellt die Koiné den Endpunkt des Sprachwandels dar, wie Al-Wer (2007; 2014) in ihrer Untersuchung zum Arabischen in Amman (Jordanien) herausfand. Ein drittes mögliches Ergebnis des Sprachkontakts ist die Aufrechterhaltung bestimmter Merkmale der eigenen Sprachvarietät durch Migrantengruppen, wie beispielsweise in Casablanca (Marokko) (Hachimi 2007).

Arabische Sprechergruppen, die in der Soziolinguistik bisher noch keine wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, sind IrakerInnen und SyrerInnen, die seit 2015 in Deutschland leben. Hierbei handelt es sich um Bevölkerungen, die aus ihren Heimatländern in neue soziolinguistische Umgebungen vertrieben wurden. Vor diesem Hintergrund möchte ich in meinem Vortrag einen Einblick in meine laufende Dissertationsforschung geben, welche die immer relevanter werdende Rolle der Migration im Bereich des Sprachkontakts und -wandels integriert. Zudem soll sie zu einem besseren Verständnis vieler Faktoren, welche die Dynamik des mündlichen Arabischen in der heutigen Welt beeinflussen, beitragen. Der Hauptfokus liegt auf den entstehenden gesprochenen Varietäten syrischer (Damaskus) und irakischer (Bagdad) MuttersprachlerInnen, deren Dialekte sich erheblich voneinander unterscheiden. Diese variieren sogar von Region zu Region in Syrien und im Irak. Grundlage für die soziolinguistische Untersuchung bilden 24 Interviews, welche in Bayreuth und Nürnberg durchgeführt und zusätzlich durch Daten zum Online-Sprachgebrauch der beiden Gruppen ergänzt wurden. Die Studie konzentriert sich einerseits auf die auftretenden generationalen Unterschiede, die innerhalb der beiden Gruppen auftreten. Andererseits soll herausgefunden werden, inwieweit sich eine koineisierte Sprachvarietät zwischen den beiden Sprachgruppen als Folge von Sprachkontakt definieren lässt.

Zitierte Quellen:

Al-Wer, E. (2007). The formation of the dialect of Amman: from chaos to order. In C. Miller et. al. (eds.). Arabic in the City: Issues in dialect contact and language variation. London: Routledge, 55-76.

Al-Wer, E. (2014). Yod-dropping in b-imperfect verb forms in Amman. In R. Khamis-Dakwar (Hrsg.). Perspectives on Arabic linguistics 26. Amsterdam: Benjamins, 29-46.

Hachimi, A. (2007). Becoming Casablancan: Fessis in Casablanca as a case study. In C. Miller et al. (Hrsg.) Arabic in the City. London: Curzon Routledge, 97-122.

Miller, C. (2005). Between accommodation and resistance: Upper Egyptian migrants in Cairo. Linguistics 43, 903-956.