Paraguay: Wie Landflucht zu Code-Switching führt

Hans-Jörg Döhla | Universität Tübingen
Anja Hennemann | Universität Potsdam

Mit seinen offiziellen Sprachen Guaraní und Spanisch ist die sprachliche Situation Paraguays intern höchst komplex ausgestaltet und nimmt eine Sonderstellung innerhalb der lateinamerikanischen Nationalstaaten ein (Kallfell 2011, Palacios 2001).

Der Begriff „Guaraní“ umfasst verschiedene Varietäten, die nicht notwendigerweise Abkömmlinge einer gemeinsamen Guaraní-Urform (vor dem 16. Jh.) sind, sondern Ausdruck eines verschiedenartigen Umgangs und der damit verbundenen Wertschätzung des Guaraní, aber auch des Spanischen. Angeordnet nach steigendem Einfluss des Spanischen lassen sich das tribale/ethnische Guaraní, guaraníete, das klassische Guaraní (†) und das gemeinsprachliche Guaraní (avañe‘ẽ) unterscheiden (Thun 2005). Während das klassische Guaraní nicht mehr gepflegt wird und zeitlich bis 1767 und räumlich auf die jesuitischen reducciones beschränkt ist, sind die anderen drei Varietäten heute noch im Gebrauch.

Auch wenn sich die Sprachen schon immer gegenseitig beeinflusst haben – zum einen sind Einflüsse des Guaraní im Paraguayischen Spanisch feststellbar, zum anderen Einflüsse des Paraguayischen Spanischen im Guaraní –, war der ländliche, Guaraní geprägte Raum eindeutig vom städtischen, paraguayisch-spanisch dominierten Raum zu unterscheiden. Durch die zunehmende Landflucht der letzten Jahrzehnte, wodurch die Opposition Land-Guaraní vs. Stadt-Spanisch verschwommen worden ist, ist insbesondere in den urbanen Zentren Bilinguismus entstanden, der sich beispielsweise in Printmedien wie der paraguayischen Regenbogenpresse widerspiegelt:

Muertes son por COVID ndaje
‘Die Todesfälle sind auf COVID zurückzuführen, sagen sie/heißt es
(https://lavozdelnorte.com.py/2020/09/24/medicos-infunden-terror/)

Alto Paraná: “Hay más muertos por covid”, he’i
‘Alto Paraná: “Es gibt mehr Todesfälle durch COVID“, sagt sie
(http://www.cronica.com.py/2020/08/03/alto-parana-mas-muertos-covid-hei/)

Insgesamt ist auffällig, dass insbesondere Ausdrücke aus dem Guaraní, die auf die Informationsquelle verweisen, im paraguayischen Spanisch gebraucht werden. So können die Partikel ndaje und he’i mit ‘sie sag(t)en/man sagte’ bzw. ‘er/sie sagt(e)’ übersetzt werden.

In unserem Beitrag wollen wir nicht nur die Ursachen und Gründe für die Migration vom Land zu urbanen Zentren aufzeigen, sondern auch anhand einer qualitativen Analyse daraus resultierendes Code-Switching untersuchen.

Referenzen

Kallfell, Guido. 2011. Grammatik des Jopara: Gesprochenes Guaraní und Spanisch in Paraguay. Frankfurt am Main: Peter Lang

Palacios Alcaine, Azucena. 2001. Aspectos sociolingüísticos del guaraní paraguayo. In Julio Calvo Pérez (ed.), Contacto interlingüístico e intercultural en el mundo hispano. Vol. I, Valencia: Universitat de València, 313-332.

Thun, Harald. 2005. ‘Code switching’, ‘code mixing’, ‘reproduction traditionelle’ et phénomènes apparentés dans le guarani paraguayen et dans le castillan du Paraguay. Rivista di Linguistica17 (2), 311-346.