Der Bruch in der Sprachbiographie. Chancen und Grenzen der Methode im Kontext von Migration.

Johanna Holzer | Ludwig-Maximilians-Universität München
Patrick Wolf-Farré | Universität Duisburg-Essen

Sprachbiographische Erhebungen (Franceschini/ Miecznikowski: 2004) stellen eine bewährte Methode dar, das Spracherleben von Sprecher*innen mit und ohne eigene Migrationserfahrung abzubilden. Die durch die Migration verursachten „lebensgeschichtliche[n] Brüche“ (Busch 2011:3) spiegelt sich in der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit wider (vgl. Wolf-Farré 2017). Dies soll am Beispiel junger Geflüchteter aus Iran, Afghanistan und Syrien sowie Sprecher*innen mit türkischem, bosnischem und äthiopischem Migrationshintergrund gezeigt werden. Im Mittelpunkt des Vortrags stehen dabei das Spracherleben, Selbst- und Fremdpositionierungen (vgl. König 2014) sowie das Selbstverständnis im Kontakt mit der jeweiligen Umgebungsgesellschaft. Grundlage für daran anknüpfende Überlegungen bilden narrative sprachbiographische Interviews mit 21 jungen Geflüchteten (erste Migrationsgeneration) und vier Sprecher*innen mit verschiedenen Migrationserfahrungen (erste bis zweite Migrationsgeneration). Durch die Gegenüberstellung unterschiedlicher Generationen, Migrationsumstände und Herkunftsregionen sollen die bislang zu wenig diskutierten Chancen und Grenzen sprachbiographischer Forschung beleuchtet werden: Neben allgemeinen, inhaltsanalytischen Verfahren mit gesprächsanalytischer Herangehensweisen stehen auch strukturlinguistische Ansätze, die den sprachbiographischen Bruch ebenfalls nachvollziehbar machen, im Vordergrund.

Auf übergeordneter, methodologischer Ebene soll hierdurch auch für eine vergleichende Sprachbiographieforschung plädiert werden. Durch vergleichende Untersuchung von Migrationserfahrungen und die damit einhergehenden sprachlichen Entwicklungen können gesellschaftliche und individuelle Muster deutlich werden, die sich auf den Verlauf von Migration und Inklusion, sowie auf Spracherwerb und Spracherhalt auswirken (vgl. Wolf-Farré / Cantone, in Arb.).

Literatur

Busch, Brigitta, 2011: Biographisches Erzählen und Visualisieren in der sprachwissenschaftlichen Forschung. ÖdaF-Mitteilungen 11(2). V&R unipress,

Franceschini, Rita/ Miecznikowski, Johanna, 2004: Leben in mehreren Sprachen. Vivre avec plusieurs langues. Sprachbiographien. Biographies langagièrs. Frankfurt a.M.et al.: Peter Lang.

König, Katharina, 2014: Spracheinstellungen und Identitätskonstruktion. Berlin: De Gruyter.

Wolf-Farré, Patrick, 2017: Sprache und Selbstverständnis der Deutschchilenen. Eine sprachbiografische Analyse. Heidelberg: Winter (Schriften des Europäischen Zentrums für Sprachwissenschaften, 6).

Wolf-Farré, Patrick / Cantone, Katja Francesca (in Arb.): Language maintenance in subsequent generations. Comparing sociolinguistic factors in language islands and immigrant languages. Manuskript.