Donauschwaben auf dem Balkan. Diachrone Einblicke in die Lexik einer deutschen Sprachkontaktvarietät

Adam Tomas | Ludwig-Maximilians-Universität München

Mein Projekt befasst sich mit zentralen Fragestellungen wie: Inwiefern ist Sprachkontakt und die daraus folgende Übertragung der Lexik in der Sprache der Donauschwaben auf dem Balkan evident? Wie viel sprachlicher Einfluss wurde an die Balkansprachen weitergegeben und wie viel Lexik wurde übernommen? Ich möchte in kurzen Umrissen die Sprachkontaktinsel der auf den Balkan migrierten Donauschwaben (Dooneschwoba) vorstellen, indem ihre hinterlassenen Spuren in Form von über 50.000 gesammelten Büchern, Briefen, Gemälden und Artefakten dargestellt werden. Die entstehende Sammlung des Apatiner Kirchenmuseums (Serbien) bezeugt die Umsiedlungsgeschichte der „Ulmer Schachteln“, ihre regionale Diversität auf dem Balkan (hier Batschka, Syrmien, Banat und Baranja) und ihre kulturelle und sprachliche Blütezeit sowie auch ihren Kampf gegen das Vergessen. 

Der zweite Teil des Vortrags widmet sich den morphologischen und lexikalischen Besonderheiten des Donauschwäbischen. Die symbiotischen Kontaktsprachen (Deutsch, Serbisch, Kroatisch, Ungarisch und Slowakisch) erlauben Einblicke in viele linguistische Divergenzen und allgemeine Entwicklungstendenzen des Donauschwäbischen (z.B. Kasusabbau, Lehnwörter, Transferenz). Zudem sollen auch die unterschiedlichen Formen von Code-Switching und Entlehnungen verglichen werden, die aus der jahrhundertelangen Mehrsprachigkeit in dieser Region entstanden sind und im Alltag (ajnfor, escajg, glanc, fašir, fruštuk, šteker, špek, rajsferšlus, vikler ), in Schulen (fah, feler, štreber), in kulturellen Einrichtungen (bina, firange, hohštapler, lampa, luster, perika) rege Anwendung fanden. Insbesondere die Mehrsprachigkeit im Militär (geverka, gevihta, haubica, kugla, pancir, šleper, špic, šuckori) und die technischen Bezeichnungen (auspuf, dihtung, kuplung, kurcšlus, feder, cangle, šlauf, šrafciger, radapciger, rikverc, rostfraj, vaservaga) können auf einen reichhaltigen Fundus hinweisen. 

Als Ausblick und Anregung zur Diskussionsrunde sollen einige Fakten dargestellt werden, wie sich die momentane Sprachsituation der deutschstämmigen Minderheit in den jeweiligen Regionen auf dem Balkan gestaltet. Migration und Mobilität waren schon seit jeher und sind bis heute die Träger von verschiedenen Sprachenkontaktsituationen und binden sooft verschiedene Kulturen und Ethnien an eine gemeinsame Lokation. Dies wird wohl auch in näherer Zukunft so blieben. Nun ist es an uns, Historikern, Soziologen und Sprachforschern, diese Kontakterscheinungen und ihre Auswirkungen zu erkennen, zu beobachten und die daraus resultierenden Folgen zu interpretieren. Folglich gilt es aufzuzeigen, welche soziolinguistischen Faktoren im Bereich Sprachkontakt und Mehrsprachigkeit für weitere Forschungen relevant sind, sowie welche Auswirkungen Mehrsprachigkeit auf die Identitätsfindung einer Sprachgemeinschaft haben kann.

Literatur [Auswahl]

Böhm, Johann: Die deutsche Volksgruppe in Jugoslawien 1918 – 1941, Frankfurt 2009.

Glass, Christian (Hrsg.): Vom “Verschwinden” der deutschsprachigen Minderheiten. ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens 1941-1955.  Ulm 2016.

Hausleitner, Mariana: Die Donauschwaben 1868 – 1948 ihre Rolle im rumänischen und serbischen Banat. 1. Aufl., Stuttgart 2014. ( Institut für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde).

Janjetović, Zoran: Die Bedeutung der Donauschwaben für die Geschichte der Serben. In: Schubert, Gabriella (Hrsg.): Serben und Deutsche im 20. Jahrhundert – im Schatten offizieller Politik, Wiesbaden 2015, S.17-26 

Krel, Aleksandar: „Sprechen sie Deutsch?“ German language and revitalization of ethnic identity of the Germans in Bačka“. In: Glasnik Etnografskog Instituta SANU60 (2012), S. 171–185.

Michael, Merkl (Hrsg.): Weitblick eines Donauschwaben. Dokumentation eines Abwehrkampfes 1935 – 1944 gegen nationalsozialistische Einflüsse unter den Donauschwaben in Jugoslawien und Ungarn im Wochenblatt für das katholische Deutschtum Jugoslawiens und Ungarns “Die Donau”, erschienen in Apatin (Batschka), Jugoslawien, ab 1941 Ungarn. Dieterskirch 1968.

Mirić, Slobodan: S one strane rata. Ispovesti odžačkih Švaba, Odžaci 2004.

Schubert, Gabriella (Hrsg.): Serben und Deutsche im 20. Jahrhundert – im Schatten offizieller Politik, Wiesbaden 2015. (Forschungen zu Südosteuropa Bd. 12).

Senz, Josef Volkmar: Geschichte der Donauschwaben. 7. Aufl., München 1993. (Donauschwäbische Beiträge).

Weifert, Mathias: Volksgruppenidentität, sozialer und kultureller Identitätswandel bei den sogenannten Donauschwaben (1683 – 2008), München 2013. (Donauschwäbisches Archiv, München).